Call of Duty: Modern Warfare (2019) REVIEW

Der Einfluss von Call of Duty 4: Modern Warfare (2007) auf den First-Person-Shooter als Genre ist bis heute spürbar. Vor allem im Triple-A-Segment gab es nahezu kein Entrinnen von Shootern mit einem gegenwärtigen Militärsetting. Und bis heute gilt das von Infinity Ward entwickelte Spiel vielen Fans der Reihe als eine der besten. Da überrascht es in einer Zeit, in der alle großen Marken ihre Reboots und Remakes erhalten, also wenig, dass nun auch der Klassiker von einst an der Reihe ist. Mit dem simpel als Call of Duty: Modern Warfare betitelten Spiel legt Infinity Ward aber kein Remake, sondern eher ein Softreboot vor.

Neustart in Urzikstan

Abseits von wiederkehrenden Figuren und der Verortung in einem zeitgenössischen Setting wird aber eine komplett neue Geschichte erzählt. Dreh- und Angelpunkt ist das fiktive Land Urzikstan, in welchem seit jeher ein brutaler Bürgerkrieg herrscht. Die hiesigen Rebellen kämpfen gegen Al-Qatala, eine Terrororganisation, die auch in Europa Anschläge verübt, was schließlich die internationale Staatengemeinschaft auf den Plan ruft.

Was in den nächsten knapp fünf bis sechs Stunden der Kampagne folgt, ist die von Call of Duty gewohnte Mischung aus Bombast, Thriller und Pathos. Dabei will das Spiel diesmal einen ernsteren und realistischeren Ansatz verfolgen und auch die Perspektiven abseits westlicher Militärs vermitteln. Das passiert insbesondere in Form eines aus Urzikstan stammenden Geschwisterpaars, welches nach dem gewaltsamen Tod der Eltern den bewaffneten Widerstand gegen Al-Qatala aufgenommen hat.

Realität trifft auf Fiktion

Nun braucht man nicht allzu viel geschichtliches Hintergrundwissen um Namen wie Al-Qatala und Urzikstan, die aus Nachrichten und Filmen wie 13 Hours und American Sniper einordnen zu können. Obwohl Infinity Ward eine fiktive Geschichte in einem vermeintlich fiktiven Setting erzählt, so sind die realen Parallelen unverkennbar und tragen letztlich auch zum zweifelhaften Bild bei, welches Modern Warfare skizziert. Durch die Presse ist vor allem eine Mission gewandert, in der man am „Highway des Todes“ kämpft. Im Briefing vor dem Einsatz wird davon gesprochen dass Russland den Landstrich bombardiert hätte und dabei willentlich auch zivile Opfer in Kauf genommen habe. Nun sind weder dieser Ort noch das angesprochene Bombardement fiktiv, sondern in der Realität verankert. Allerdings waren es nicht Russen, die während Zweiten Golfkrieges Straßen in der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 1991 Straßen zwischen Kuwait und Basra bombardiert haben, sondern die internationale Koalition, bestehend aus USA, Kanada, Frankreich und Großbritannien. Das ausgerechnet ein amerikanisches Studio diesen Sachverhalt komplett umdreht, hat natürlich einen Beigeschmack, zumal Russland ohnehin hier stark als gesichtsloser Schurke herhalten muss.

Die kritische Auseinandersetzung der einzelnen Kriegsparteien, die von den Entwicklern im Vorfeld und im typischen PR-Sprech gerne hervorgehoben wurde, fällt ebenfalls eher flach aus. So gibt es etwa eine Szene, in der man einen Terroristen in die Mangeln nehmen kann, indem droht der anwesenden Ehefrau und dem ebenfalls anwesenden Kind etwas anzutun. Ob man dieser Sequenz beiwohnt oder nicht, ist einem selbst überlassen. Angesprochen wird das Unterfangen kurz darauf zwar, aber mit einem lapidaren „wenn nicht wir uns die Hände schmutzig machen, wer dann?“ quittiert.

In einer anderen spielbaren Szene erlebt man einen Giftgasangriff aus dem Blickwinkel eines Kindes. Das ist zunächst durchaus bedrückend, zumal hier unweigerlich Bilder aus dem syrischen Bürgerkrieg wach werden. Letztlich hat mich der Abschnitt aber erschreckend wenig berührt. Ich bin nie den Eindruck losgeworden die Szene existiert um mir die Gräuel des Kriegs zu zeigen, sondern das sie stattdessen als shock value dienen soll. Das es kurz darauf mit dem munteren Abballern der bösen Jungs weitergeht, hilft auch nicht gerade dabei eine emotionale Wucht zu entfesseln. Letztlich wiederholt sich bei Modern Warfare also dieselbe Problematik, wie schon bei den Vorgängern. Call of Duty ist keine kritische Analyse, sondern ein Unterhaltungsprodukt. Die Aussagen, die getroffen werden, sollte man dennoch kritisieren.

Kurzweiliges Action-Schaulaufen

Aber auch als vermeintliches Actionspektakel hinterlässt der Reboot einen eher gemischten Eindruck. Wenn ich an das original zurückdenke, denke ich vor allem an die Mission in Pripyat. Einen solch eindringlichen Abschnitt gibt es diesmal nicht, auch wenn sich das Spiel durchaus bemüht, wie etwa bei einem Angriff auf die US-Botschaft (die Realität lässt erneut grüßen) oder beim bereits erwähnten Giftgasangriff. Die Stärken liegen eher in der Kurzwelligkeit und dem sich gut anfühlenden Gunplay. Es wird also, wenig überraschend, vor allem geschossen, wobei die etablierte „Besiege die Welle, gehe weiter, besiege die nächste Welle, gehe weiter…“ wie gewohnt zum Einsatz bringt. Will man aufgrund der wenig fordernden KI keine simple Schießbude, greift man zu den höheren Schwierigkeitsgraden. Hier verträgt man zwei, vielleicht drei Treffer und ist hinüber, muss entsprechend also mehr in Deckung geben und sich langsam vorwagen.

Dass das Ganze auf Dauer nicht langweilig wird, liegt auch an den vielen recht knapp gehaltenen Missionen. Mal erlebt man einen Terroranschlag auf den Straßen Londons, mal knipst man die Feinde mit einem mächtigen Scharfschützengewehr aus, mal infiltriert man das Anwesen des Oberbösewichts. Dazwischen gibt es immer wieder auch längere Einsätze, in denen auch mal geschlichen werden darf und dank neuer Engine mit hübschen Lichteffekten wirken die Schauplätze auch stets stimmig. Was das richtige Pacing und die Inszenierung angeht wissen Infinity Ward einfach, wie es richtig gemacht wird.

Viel Auswahl, viel Substanz?

Ist die Kampagne nach einen, maximal zwei Nachmittagen durchgespielt, lockt wie jedes jahr das reichhaltige Multiplayer-Angebot. Im ausgedehnten Koop-Modus mit bis zu vier Spielern wird unter anderem die Geschichte aus dem Solo-Modus aufgegriffen, ansonsten wird das bekannte Spielprinzip eben auf den kooperativen Gedanken gemünzt und in den einzelnen Einsätzen teilweise etwas zu lange ausgebreitet.

Im klassischen Mehrspieler gibt es diesmal recht verwinkelte Maps und ein sich im Vergleich zum Original etwas langsamer anfühlendes Gameplay gibt. Abseits vom klassischen Team-Deathmatch gibt es mit „Cyberangriff“ eine an Counter-Strike erinnernde Abwandlung, in der man Bomben legen bzw. deaktivieren muss, hinter „Bodenkrieg“ verbirgt sich hingegen der große und an Battlefield angelehnte Spielmodus, in welchem bis zu 64 Spieler*innen nicht nur zu Fuß, sondern auch mit Fahrzeugen zu Luft und Boden hantieren dürfen, was herrlich chaotisch ist. Der eigentliche Star dürfte mittlerweile aber das auch eigenständig verfügbare Warzone sein, die Battle Royale Variante von Call of Duty. Auswahl ist also reichlich da und egal ob man nun intime 2 vs. 2 Gefechte oder riesige Schlachten mit Dutzenden Teilnehmer*innen mag: hier bietet Modern Warfare für jeden etwas.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • kurzweillige Actionkost im Solo-Modus
  • abwechslungsreiche Schauplätze
  • gewohnt umfangreiches und hochwertiges Mehrspieler-Paket
  • neue Engine mit gelungener Lichtstimmung

thumbs-up-icon

Contra
  • Umdrehung fiktiver Ereignisse
  • keine emotinale Wucht innerhalb der Geschichte
  • Gegner-KI kaum fordernd

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Spiel Bewertung
Singleplayer
70
78
Okay
85
Multiplayer

FAZIT

Call of Duty: Modern Warfare bietet das von der Franchise bewährte Paket mit einer kurzweiligen Kampagne und einem ausgedehnten Mehrspieler-Part. Große Überraschungen sind nicht dabei, stattdessen verlässt sich das verantwortliche Studio Infinity Ward auf die etablierten Bausteine und setzt diese ohne große Experimente um. Das einmal mehr der Mut fehlt eine wirklich sich kritisch mit der Thematik auseinandersetzende Geschichte zu erzählen fehlt, ist man mittlerweile gewohnt, ebenso wie den berechenbaren Shitstorm, der gerade von Infinity Ward gerne zum Marketing genutzt wird. Das muss man nicht mögen, sofern man aber Lust auf einen abwechslungsreichen First-Person-Shooter hat, welchen man vor allem im Mehrspieler kaum das Wasser reichen kann, ist man bei Modern Warfare gut aufgehoben.

- Von  Adrian

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